Pfarrer Christian Albin und seine "Chronik der Kirchfahrt Komptendorf"

Von der digitalisierten Handschrift "Chronik der Kirchfahrt Komptendorf" von Pfarrer Christian Albin, die er in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verfasste. Nebst einer amüsanten Beschreibung der Feier zu seinem 50jährigen Amtsjubiläum im Jahr 1883.

Pfarrer Christian Albin und seine "Chronik der Kirchfahrt Komptendorf"

Christian Albin (1802 - 1888) war nicht nur über 55 Jahre Pfarrer bzw. Hilfspfarrer in Komptendorf, sondern er verfasste auch eine über 300 Seiten lange, handschriftliche Chronik des Kirchspiels. Diese Handschrift kam auf mir bisher noch unbekanntem Wege in den Besitz des sorbischen Schriftstellers und Volkskundlers Dr. Arnošt Muka [1] (deutsch: Ernst Mucke), dem es zu verdanken ist, dass sie heute im Sorbischen Institut in Bautzen [2] aufbewahrt wird. Im Zuge des sächsischen Landesdigitalisierungsprogramms [3] ist die Handschrift von der Sächsischen Landesbibliothek — Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) [4] 2016 digitalisiert worden und nun dauerhaft [5] verfügbar.

Bild 1: ExLibris von Dr. Arnošt Muka (Ernst Mucke)

Ich bin während einer groben Recherche nach dem Ortsnamen Komptendorf auf das Digitalisat gestoßen und war unheimlich neugierig auf den Inhalt. Da der Text in Kurrentschrift, also alter deutscher Schreibschrift [6], verfasst ist, war das Lesen anfangs sehr mühsam. Aber mit der Zeit wurde es immer einfacher und inzwischen habe ich eine fast vollständige Abschrift des Textes - jedenfalls der ortsgeschichtlich relevanten Teile. Denn auf den letzten ca. 100 Seiten der Handschrift befasst sich Albin weniger mit der Geschichte des Dorfes und der Nachbargemeinden, als mit seinem Hobby, der Imkerei.

Der Pfarrer und Hobby-Imker Christian (Kito) Albin wurde am 25. Juli 1802 in Jessen [7] bei Spremberg geboren [8]. Er besuchte das Gymnasium in Cottbus und studierte anschließend Theologie in Halle. 1828 kam er dann als Hilfspfarrer des Predigers George Selling nach Komptendorf. [9] [10] 1833 übernahm er das Pfarramt und blieb im Dienst bis 1884. 1888 starb er in Komptendorf. [11]

Nun soll Christian Albin noch selbst zu Wort kommen. Ab Seite 110 seiner Chronik [12] berichtet er von seinem 50jährigen Amtsjubiläum:

Aus dem Jahre 1883 ist vor allen Dingen zu erzählen, daß am 22 April, am Sonntage Cantate, Nachmittag 3 Uhr mein 50jähriges Amtsjubiläum gefeiert wurde. Ein seltenes hochwichtiges Fest. So weit die kirchlichen Nachrichten der hiesigen Parochie und des ganzen Kreises Kottbus zurück reichen, hat vor mir dieses Fest gefeiert der Superintendent Bolzenthal im September 1837 und der Archidiakonus Petrenz in Kottbus. Am Tage der ersteren Feier, dem 7. September starb zu Comptendorf der Prediger Selling [13] im 75. Lebens- und im 49sten Amtsjahre, aber seit dem 1. Juli 1833 emeritiert. Auch Crinitius [14], der erste Amtsinhaber, von dem die Kirchenacten Nachrichten enthalten, hat 41 Jahr die Stelle besorgt, nämlich von 1634 bis zum 19. November 1675.

Bild 2: Ausschnitt aus Seite 110 der Chronik

Meine Thätigkeit hieselbst datiert vom Sonntag Jubilate [15] 1828 an und zwar war ich 5 Jahre nur Hilfscandidat. Im Jahr 1878 feierten meine Kinder und einige Freunde den Sonntag Jubilate als Jubiläum des Predigens, weil es wohl an sich wichtig und es dabei auch sehr ungewiß war, ob ich das Jubiläum nach der Ordination [16] erleben würde. Dies ist mit Gottes gnädiger Hülfe erreicht worden und es wurde dieses gesetzmäßige Jubiläum mit großer Theilnahme der Gemeinde und unzählicher Freunde in der Nähe und Ferne begangen.

Der Superintendent Ebeling [17] erschien mit den Amtsbrüdern Sucro und Schiedewitz, so wie Haussig um halb 3 Uhr, sonstige Amtsbrüder waren wegen eigener Arbeiten am Sonntag nicht gekommen. Die Gratulationen begannen schon früh um 6 Uhr durch Gesang der Lehrer, durch Blasen eines Chorals. Die Lehrer überreichten mir eine Electrisirmaschiene [18] und die Gemeinde-Vorsteher brachten einen Großstuhl [19], eine Fußbank, eine mächtige Pfeife und einen ausgelegten Tabakskasten mit Inhalt.

Die Gratulationen dauerten den ganzen Vormittag des Sonntags, jeder Gratulant brachte auch ein Geschenk oder wenigstens ein Bouquet. Die hiesigen Herrschaften hatten im Jahr 1878 zusammen eine goldene Uhr mit Kette überreicht, jetzt bei dem officiellen Jubiläum verehrten sie einzelne kleinere Geschenke, als Torten, ein Gemählde (Frau Amtsrath Mothes), Wein (Frau von Berndt 15 Flaschen, Herr von List 5 Flaschen, Herr von Natzmer 3 Flaschen Cherry und 2 Kistchen sehr theure Cigarren).

Bild 3: So könnte ein Geschenk ausgesehen haben: eine Holtzsche Elektrisiermaschine

Gepredigt habe ich am Vormittag nicht, dagegen des Nachmittags deutsch und wendisch über Phil. 1, 3 ff.

Erschienen war auch der Landrath von Funke. In der Wohnung überreichte mir der Superintendent mit einigen Worten den Rothen Adlerorden 4ter Klasse [20] und ich mußte darauf eine geeignete Gegenrede halten, welche hier, im Concept aufgehoben wird, so wie auch die Festpredigt. Dann wurde ich vom Landrath und vom Superintendenten in die Kirche geführt.

Bild 4: Roter Adlerorden 4. Klasse

Der Superintendent konnte mit dem Anheften des Ordens auf den Tuchrock (nicht auf den Talar) nicht zurecht kommen und rief meine Tochter Helene zu Hilfe und dieses Anhaften des Ordens durch die Hand der Tochter war die letzte eigenhändige persönliche Dienstleistung der Tochter, denn 8 Tage darauf wurde sie krank und nach einem Leiden von gerade 2 Wochen hat sie alles überwunden und ihren Lebenslauf vollendet, obgleich sie bis in die letzte Stunde so lange sie ihr Bewußtsein hatte, immer von Besserwerden sprach und auch daran glaubte. So hat uns nach kurzer Freude des Jubiläums tiefe Trauer betroffen.

Bild 5: Ausschnitt des Geburtseintrags von Helene Albin und ihrer Zwillingsschwester Marie vom 13. September 1848

Die Kirche war zu dem Jubiläum vollgepropft von Menschen, besonders saßen oder standen auf den Emporkirchen Mannspersonen Kopf an Kopf in zweifacher Reihe, so daß es ordentlich zum Einbrechen aussah.

Die Liturgie hielt der Prediger Haussig aus Kahren, dann der Superintendent eine Altarrede an mich, ich saß vorher auf dem neuen Großstuhl dem Altar gegenüber und mußte bei der Rede näher treten und freistehen, dabei übereignete der Redner mir eine Prachtbibel als ein Geschenk der Amtsbrüder. Vorher schlug er die Bibel auf, las als Text Psalm 92, Verse 14-16. und machte davon eine kurze Anwendung auf mein Amt und meine Person.

Nach dem Gesange zweier Verse hielt ich die deutsche Predigt; nach derselben blieb ich auf der Kanzel; es wurde etwas wendisch gesungen, viele Mannspersonen verließen von den Chören herab die Kirche und verursachten Geräusch auch noch unter dem Lesen des wendischen Textes. Die wendische Predigt mußte abgekürzt werden, oder hätte ganz wegbleiben können. Nach der kirchlichen Feier ging es mit Musik zur Mahlzeit im Gasthofe, wer sich unterschrieben hatte, davon Theil zu nehmen. Die Damen blieben auf der Pfarre bis zur Mitternacht. -


Anmerkungen:
Seitenangaben beziehen sich auf die PDF-Seiten des Digitalisats.
Abkürzungen habe ich aufgelöst und einige Absätze eingefügt.
Die Rechtschreibung folgt dem Original.


  1. Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Arnošt_Muka ↩︎

  2. Handschrift im Bestand des Sorbischen Instituts Bautzen: https://www.serbski-institut.de/de/Quellentexte-zur-Geschichte/ ↩︎

  3. Landesdigitalisierungsprogramm für Wissenschaft und Kultur des Freistaates Sachsen: https://sachsen.digital/das-programm/ ↩︎

  4. SLUB Dresden: https://www.slub-dresden.de/startseite/ ↩︎

  5. Digitalisat im Katalog der SLUB Dresden: https://katalog.slub-dresden.de/id/0-1657150291 ↩︎

  6. Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Kurrentschrift ↩︎

  7. Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Jessen_(Spremberg) ↩︎

  8. Gemeinsame Normdatei: http://d-nb.info/gnd/1103152785 ↩︎

  9. Lausitzer Rundschau 2008-07-11: https://www.lr-online.de/lausitz/cottbus/christian-albin-35145888.html ↩︎

  10. Chronik Seite 98: https://sachsen.digital/werkansicht/?id=9840&tx_dlf[id]=174083&tx_dlf[page]=98 ↩︎

  11. Chronik Seite 124: https://sachsen.digital/werkansicht/?id=9840&tx_dlf[id]=174083&tx_dlf[page]=124 ↩︎

  12. Chronik, Seite 110: https://sachsen.digital/werkansicht/dlf/174083/110/ ↩︎

  13. George Selling, geb. in Kolkwitz, war seit 1791 Pfarrer in Komptendorf und blieb es bis zum 1. Juli 1833, als Albin das Amt übernahm. Selling starb am 7. September 1837. Quelle: Chronik, Seite 97 ↩︎

  14. Johann Crinitius (auch Crinitus) war Pfarrer in Komptendorf von 1634 bis zu seinem Tod am 19. November 1675. Er stammte aus Tzschacksdorf (heute polnisch Strzeszowice) und war zuvor unter anderem einige Zeit Prediger in Schorbus. Quelle: Chronik, Seiten 54, 70-71 ↩︎

  15. Sonntag Jubilate ist der 3. Sonntag nach Ostern. Siehe auch Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Sonntage_der_Osterzeit#Jubilate ↩︎

  16. Ordination ist die feierliche Einsetzung eines Pfarrers in sein Amt. Siehe auch Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Ordination ↩︎

  17. Christian Heinrich Ebeling, Superintendent in Cottbus, wird auch hier erwähnt: https://www.stadtmuseum-cottbus.de/chronik-detail/id-1867.html. Superintendent = Leitungsamt in evangelischen Kirchen, siehe auch Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Superintendent ↩︎

  18. Eine Electrisirmaschiene ist ein elektrostatischer Generator, der nach dem Prinzip der Reibungselektrizität arbeitet, siehe Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Elektrostatischer_Generator#Elektrisiermaschinen ↩︎

  19. Ein Großstuhl ist ein hoher, bequemer Lehnstuhl, siehe http://woerterbuchnetz.de/GWB/call_wbgui_py_from_form?sigle=GWB&lemid=JG05064 ↩︎

  20. Der Rote Adlerorden war ein preußischer Verdienstorden. Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Roter_Adlerorden ↩︎


Bildquellen